Wie die Liebe zu Anröchte durchs Rathaus geht, warum Bürokratie rocken kann und wie ein Auslandspraktikum den Blick von Joline Janesch nachdrücklich erweitert hat

Anröchte ist der Ort, den Joline Janesch ihr Zuhause nennt. Hier ist sie aufgewachsen, tief verwurzelt. Sie kennt (fast) alle Menschen, die Straßen, die Vereine und auch einfach das Miteinander. Jetzt packt sie aktiv mit an, um die Zukunft ihres Heimatorts zu gestalten. Dabei steht sie nicht auf großen politischen Bühnen, sondern mitten im Geschehen: in der Gemeindeverwaltung von Anröchte, wo sie ihre Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten macht.

Echte Anröchterin

Ihr Weg dorthin war kein Zufall. Es war das Resultat ihrer Neugier und einer unerwarteten Gelegenheit. Für die 20-Jährige ist die enge Verbindung zu Anröchte nicht nur privat wichtig, sondern auch ein beruflicher Vorteil. „Einfach, dass man sich auskennt", erklärt sie. Dieses tiefe Wissen über die örtlichen Gegebenheiten hilft ihr im Arbeitsalltag enorm. Doch es geht um mehr. „Ich bin Anröchterin und interessiere mich natürlich dafür, was in Anröchte passiert.“ Sie möchte aktiv an der Entwicklung teilnehmen. „Ich möchte irgendwann bei Entscheidungen dabei sein oder vielleicht auch selbst Entscheidungen treffen können.“

Interessantes Praktikum

Der erste Schritt ins Rathaus begann mit einem Schulpraktikum während ihres Fachabiturs am Lippe-Berufskolleg in Lippstadt. Zuvor hatte Joline Janesch von der Verwaltung nur ein begrenztes Bild. Das Rathaus kannte sie „nur so vom Klassiker, also Personalausweis beantragen“. Ihr dreiwöchiges Praktikum öffnete ihr die Augen für die Vielfalt der Aufgaben und schnell wuchs ihr Interesse an einer Ausbildung. Ihre Eigeninitiative zahlte sich aus. „Ich hatte dann quasi vier Wochen nach meinem Praktikum schon einen Ausbildungsplatz fürs darauffolgende Jahr, bevor ich überhaupt meinen Abschluss hatte.“ Eine Initiativbewerbung machte das möglich.

Viele Einblicke

Die Ausbildung selbst ist alles andere als eintönig. Die angehende Verwaltungsfachangestellte durchläuft verschiedene Ämter und Abteilungen. „Ich sage immer gerne zu anderen, dass ich mehrere Ausbildungen auf einmal mache“, beschreibt sie die Vielfalt. Finanzverwaltung, Ordnungsamt, Sozialamt, Personalamt oder Bauamt –  die Tätigkeiten unterscheiden sich wirklich zum Teil sehr stark. Diese Vielseitigkeit empfindet sie als großen Gewinn. „Ich habe mich in der Zeit bei der Gemeinde nochmal komplett neu kennengelernt. Und auch herausgefunden, was meine Stärken sind und was mir auch wirklich Spaß macht.“

Anröchter Kirmes

Besonders spannend findet die Anröchterin die Organisation der Anröchter Herbstkirmes im Ordnungsamt. Dort ist sie vor und während des Rummels immer auf dem Platz unterwegs und spricht mit Schaustellern. Außerdem kümmert sie sich um die Platzeinteilung. „Die Woche vor dem Volksfest ist besonders aufregend, da ergibt sich fast stündlich ein völlig neues Bild.“ Aktuell ist die junge Frau im Bauamt eingesetzt und hilft ihren Kollegen dort. Der Beruf sei sehr vielseitig, sagt sie. Von Zahlenarbeit in der Finanzverwaltung über die Baustelleninspektion im Auftrag des Bauamtes bis hin zur Bürgerbetreuung im Sozialamt. Das ist für sie das eigentlich Interessante an der Ausbildung.

Theorie und Praxis

In Theorie und Praxis stehen zwei wichtige Säulen zur Verfügung: das Berufskolleg und das Studieninstitut. Während das Berufskolleg eher allgemeine Fächer wie Deutsch oder Politik anbietet, fokussiert sich das Studieninstitut auf spezifische Themen, die in der Verwaltung benötigt werden. Auf dem Stundenplan stehen Fächer wie Sozialrecht, Ordnungsrecht oder Verwaltungsverfahren. Der Lehrstoff im Studieninstitut ist dabei viel praxisnäher. „Es ist ein tolles Gefühl, wenn man das Wissen, das man erworben hat, direkt im Job anwenden kann“, freut sich Joline jeden Tag auf neue Aufgaben im Anröchter Rathaus.

Irland Calling

Kurz vor ihrem Fachabitur hatte Joline bereits die besondere Möglichkeit, ein Auslandspraktikum in Irland zu absolvieren. Obwohl dieser Wunsch anfangs durch die Pandemie vereitelt wurde, konnte er nun vor wenigen Wochen endlich in Erfüllung gehen. „Während meiner Zeit auf Europas drittgrößter Insel konnte ich neue Perspektiven gewinnen. Ich habe nicht direkt in der Verwaltung gearbeitet, sondern direkt für die irische Politikerin Emma Murphy von der irischen Regierungspartei Fianna Fáil.“ Die Erfahrung hat ihr sowohl deutliche Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten in der Verwaltungsarbeit aufgezeigt, denn oft begegnet man überall ähnlichen Herausforderungen. Das Praktikum hat ihr verdeutlicht, wie facettenreich die Verwaltung sein kann und dass es oft auch ähnliche Strukturen gibt.

Nah am Bürger

Ein weiterer Punkt, der ihr während der Ausbildung klar wurde, ist die Arbeit mit den Bürgern. „Für mich ist der Umgang mit den Bürgerinnen und Bürgern besonders wichtig.“ Das ist jedoch nicht immer leicht, denn die Verwaltung muss sich an Gesetze und Vorschriften halten. „Dies führt dazu, dass nicht immer im Sinne des Einzelnen entschieden werden kann, auch wenn man das manchmal gerne würde.“ Um damit umzugehen, benötigt man laut Joline Janesch eine wichtige Fähigkeit: „Sachlich bleiben, verständlich erklären und immer freundlich zu den Menschen sein.“

Für sie ist klar, dass ihre Aufgabe darin besteht, für die Bürgerinnen und Bürger da zu sein. Schließlich ist die Verwaltung genau dafür zuständig. Sie sieht die Bürger gewissermaßen als ihre Arbeitgeber, denn ohne sie gäbe es die Verwaltungsstrukturen nicht. Ihr Ziel ist es, bürgernah und verständlich zu handeln und offen zu kommunizieren. Verwaltung sollte nicht nur aus Paragrafen bestehen, sondern aus Menschen, die wirklich etwas für ihre Gemeinschaft tun möchten.

Tanzbalance

In ihrer Freizeit engagiert sich die Karnevalistin stark im Vereinsleben von Anröchte, vor allem im Gardetanz mit der Tanzgarde der Gemeinde. Für sie ist das eine willkommene Abwechslung von der Verwaltungsarbeit, um einfach mal abzuschalten und den Kopf freizubekommen. Hier hat sie auch Menschen mit gleichen Interessen gefunden. Besonders am Herzen liegt Joline die Arbeit mit den „Tanzmäusen“.  Sie empfindet große Freude daran, mit den Nachwuchstänzerinnen zu arbeiten Es macht sie glücklich zu sehen, wie sich die Mädchen im Laufe der Zeit entwickeln. „Es überrascht mich immer wieder, dass ich auch von den Kindern viel lernen kann. Sei es Geduld, Spontanität oder einfach eine unbeschwerte Sicht auf die Dinge.“

Zukunft planen

Mit dem bald anstehenden Abschluss ihrer Ausbildung denkt Joline bereits an ihre Zukunft. Ihr Ziel ist es, sich weiterzubilden. „Ich möchte unbedingt den Verwaltungslehrgang II für anspruchsvollere Aufgaben im gehobenen Dienst anstreben.“ Für sie ist es wichtig, sich weiterzuentwickeln und neue Möglichkeiten zu erschließen. In Anröchte fühlt sie sich gut aufgehoben, wenn es um ihre berufliche Zukunft geht. „Bei der Gemeindeverwaltung Anröchte fühle ich mich sehr wohl“, sagt sie. Sie schätzt das Arbeitsumfeld, ihre Kolleginnen und Kollegen sowie die Aufgaben, die sie dort übernehmen darf. Obwohl ihre berufliche Zukunft nach der Ausbildung noch unklar ist, hat sie einen klaren Wunsch: „Ich möchte hierbleiben und gleichzeitig fachlich dazulernen.“ 

 

Text und Fotos: Holger Bernert