Nach fast vier Jahrzehnten im Dienst der Gemeinde Anröchte geht Christian Irländer als Chef des Waldfreibads Anröchte im Frühjahr kommenden Jahres in den Ruhestand





Wenn die letzten Sonnenstrahlen des Spätsommers das Wasser des Waldfreibads in warmes, goldenes Licht tauchen, breitet sich eine besondere Stille über die Szenerie aus. Mit dem Ende dieser Badesaison schließt sich hier mehr als nur das eiserne Tor. Es markiert das leise Ende einer Ära, die von einem Mann geprägt wurde, dessen ruhige Präsenz und wachsame Augen ihn zum Herzstück dieses Ortes machten. Nach 40 Jahren im Dienst der Gemeinde Anröchte hängt Schwimmmeister Christian Irländer seine Trillerpfeife an den Nagel und hinterlässt eine Lücke, die sich nicht einfach mit Wasser füllen lässt.
Späte Berufung
Der Weg in die Wasserwelt des Anröchter Waldfreibads war alles andere als vorherbestimmt. „Zwischen Müllmann und Astronaut war Bademeister nie mein Traumjob“, erinnert sich Christian Irländer mit einem Schmunzeln. Der gelernte Elektroinstallateur begann seine Laufbahn bei der Gemeinde am 1. Juli 1985 ganz klassisch im Bauhof. Der damalige Gemeindedirektor Robert Budde erkannte sein Potenzial und bot ihm die Chance, im Anröchter Freibad zu arbeiten. Die ersten zehn Jahre waren hart aber lehrreich. Er war das, was man liebevoll als „Mädchen für alles“ bezeichnet. „Ich war für die Technik zuständig, kümmerte mich um die Liegewiese, mähte den Rasen, verlegte Pflastersteine und schnitt die Hecken“, erzählt er. Schon damals leitete er alleine die Aufsicht und hielt den Betrieb am Laufen. Sein ursprünglicher Beruf kam ihm oft zugute: „Wenn es mal einen Fehler im Schaltschrank gab, war das ganz praktisch.“ 1997 machte der 64-Jährige eine Umschulung zum Fachangestellten für Bäderbetriebe und übernahm die Leitung, als sein Vorgänger in den Ruhestand ging. Eine große Verantwortung für das Waldfreibad und die Schwimmhalle in der Grundschule Anröchte, die er bis zum letzten Arbeitstag am 31. März 2026 mit Hingabe erfüllen wird.
Geändertes Freizeitverhalten
In fast vier Jahrzehnten hat Christian Irländer nicht nur unzählige Kilometer am Beckenrand zurückgelegt – genug für eine Weltreise und zurück. Vielmehr hat er den Wandel der Gesellschaft in erster Reihe erlebt. „Das Freizeitverhalten hat sich stark verändert“, stellt er sachlich fest. Früher, in den Achtzigern und Neunzigern, war das Freibad der soziale Mittelpunkt des Sommers. „Ein Bad, in dem man springt, rutscht und schwimmt, war genug.“ Heute steht ein klassisches Freibad in Konkurrenz zu riesigen Freizeitbädern und einem fast unendlichen Angebot an Unterhaltung. Doch was bleibt, sind die unbezahlbaren Geschichten, die nur das Leben am Beckenrand schreibt.
„Ich wünsche mir, dass es für die Schwimmerinnen und Schwimmer erhalten bleibt“
Christian Irländer über seien größten Wunsch für das Waldfreibad Anröchte
Histörchen
Eine Anekdote bleibt besonders in Erinnerung: Die Besucher aus dem Ruhrgebiet, die sich einst über das angeblich stinkende Wasser beschwerten. „Euer Wasser stinkt, ihr müsst das mal wechseln!“, forderten sie. Lachend erklärte Christian Irländer den Städtern, dass der Duft der Gülle auf dem Land zum Alltag gehöre und nicht das Beckenwasser der Übeltäter sei. Es sind diese kleinen Geschichten, die eine lange Karriere bunt und lebendig machen. Der Arbeitsalltag war oft eine echte Herausforderung, besonders an heißen Sommertagen, wie er sie in den letzten Jahren bereits mehrfach erlebt hat. Seine Strategie schien einfach, war jedoch lebenswichtig: „Viel trinken, schwitzen und froh sein, wenn abends nichts passiert ist.“ Trotz der enormen Verantwortung und der anstrengenden Stunden überwiegt stets die Freude an der Arbeit. Die Gespräche mit den Badegästen und das vertraute Miteinander über Generationen hinweg waren sein Antrieb. Der Gedanke, Anröchte jemals beruflich den Rücken zu kehren, kam ihm nie. „Ich bin an Anröchte gebunden, ich arbeite gerne hier und habe hier meine Familie und einen großen Freundes- und Bekanntenkreis.“ Dabei ließ er bei all dem Geplauder nie die Aufsicht außer Acht. Seine Bilanz als Schwimmlehrer ist eher bescheiden. „Ich schätze mal, etwa hundert Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen habe ich das Schwimmen beigebracht. Das ist nicht viel.“
Familiärer Rückhalt
Ein Job, der im Sommer keinen Feierabend und kein Wochenende kennt, der volle Konzentration erfordert, funktioniert nur mit einem stabilen Fundament. Diesen Anker fand Christian Irländer stets bei seiner Familie. Seine Stimme wird sanfter, wenn er darüber spricht. „Meine Familie hat immer hinter mir gestanden, auch im Sommer, viele Stunden lang“, erzählt er voller Dankbarkeit. „Ganz besonders meine Frau.“ Sie hielt ihm den Rücken frei, erledigte vieles im Haushalt und kümmerte sich um die damals kleinen Kinder, was eigentlich in sein „Repertoire“ gehört hätte. Dieser Rückhalt gab ihm die Kraft für die langen Tage am Becken. Übrigens ist sein persönlicher Lieblingsplatz im Bad kein gemütlicher Ort unter einem schattigen Baum, sondern ein Gefühl, ein Moment der totalen Stille. „Wenn die Saison vorbei ist, die Pumpen aus sind, nichts mehr läuft und man nur noch das Rauschen vom Wald hört – das ist ein beruhigendes Gefühl für mich.“
Saisonende
In diesen Tagen endete für Christian Irländer die letzte Freibadsaison. Bis zu seinem offiziellen Renteneintritt bleibt er noch im Dienst, kümmert sich um die Schwimmhalle in der Anröchter Grundschule und die Nachbereitung. Und dann? Langeweile wird es im Hause Irländer nicht geben. „Meine erwachsenen Kinder haben sich schon angemeldet“, lacht er. „Da bin ich dann eigentlich schon als Hausmeister und Handwerker voll ausgebucht.“ Er freut sich darauf, seinen Garten endlich nicht nur zu bearbeiten, sondern auch einmal in Ruhe genießen zu können. Dem Wasser bleibt er treu, aber zu seinen eigenen Bedingungen: „Frühschwimmer werde ich nicht, aber ich werde weiterhin ins Wasser springen.“ Die Spuren, die er hinterlässt, sind groß, doch er blickt zuversichtlich in die Zukunft des Bades. Seinem Nachfolger Lars Kemke, der viel Erfahrung aus seiner Zeit als Schwimmmeister in Rüthen mitbringt, traut er die Aufgabe voll und ganz zu. Und bedanken möchte sich Christian Irländer ganz herzlich bei Karin Thöne, mit der er in den vergangenen 25 Jahren ein unschlagbares Duo am Beckenrand bildete.
Wunsch
Wenn man Christian Irländer fragt, was er sich nach 40 Jahren harter Arbeit in der prallen Sonne und bei ohrenbetäubendem Lärm für „sein“ Waldfreibad wünscht, was von seiner Ära bleiben soll, dann kommt die Antwort ohne Zögern. „Das Waldfreibad Anröchte muss auch in Zukunft erhalten bleiben.“ Es ist das schlichte und doch so bedeutungsvolle Vermächtnis eines Mannes, der hier fast die Hälfte seines Lebens verbracht hat und diesem Ort eine Seele geschenkt hat.
Text und Foto: Holger Bernert