Geologie, Geschichte und Anekdoten unter dem Dach des Anröchter Steinmuseums

Fred Feuerstein und Barney Geröllheimer hätten im Anröchter Steinmuseum sicherlich ihre helle Freude gehabt. Aber nicht nur die Helden aus der Steinzeit kommen hier auf ihre Kosten. Im Jahr 2012 ging für die Anröchter Heimatfreunde ein langgehegter Wunsch endlich in Erfüllung: In einem typischen Grünsandsteingebäude direkt neben dem Rathaus wurde damals das Anröchter Steinmuseum eröffnet. In seinen Führungen erzählt Rudi Fischer die Jahrmillionen alte Geschichte des grünen und blauen Steins, der noch heute rund um Anröchte abgebaut wird.

Erdgeschichte

Anröchte und das Umland lagen vor rund 90 Millionen Jahren im Küstenbereich eines tropischen Meeres. Im Laufe der Jahre verdichtete sich der aus Sedimenten bestehende Meeresboden mitsamt abgestorbenen Tieren und Pflanzen zu einem ganz besonderen Stein. In diesen, zumeist weiß-grauen Kalksteinschichten, hat sich in einer dünnen Ebene das Mineral Glaukonit angesammelt, das für die grünen und blauen Farbtöne des Anröchter Steins verantwortlich ist.  

Anröchter Wurzeln

Obwohl Rudi Fischer Zeit seines Lebens in Lippstadt gearbeitet hat, steht für ihn fest: „In meiner 45-Jährigen Dienstzeit war ich vom Kopf her Lippstädter – im Herzen aber immer Anröchter.“ Bereits mit 16 Jahren begann seine Laufbahn bei der Lippstädter Stadtverwaltung. In den letzten zehn Jahren seines Arbeitslebens war der Dipl. Verwaltungswirt Fachdienstleiter Soziales. Mit seiner Ehefrau Franziska lebt der Vater von einem Sohn und einer Tochter und Opa von vier Enkeln im Anröchter Ortskern.

Zurück in die Steinzeit

Seine Liebe zum Anröchter Stein entbrannte während der Vorbereitung und Durchführung zur 850-Jahr-Feier der Gemeinde Anröchte vor zwanzig Jahren. Damals stand für den ehemaligen Vorsitzenden des Heimatvereins fest, dass Anröchte ein eigenes Museum benötigt. „Mit beispielloser Beharrlichkeit verfolgte Heiner Mendelin über Jahre hinweg die Umsetzung seines Ziels“, erinnert sich Rudi Fischer. Nach Verhandlungen mit der Gemeinde Anröchte und entsprechenden Zusagen von Fördermitteln, wurde mit den Arbeiten in den Räumlichkeiten der „Alten Schule“, die aus grünem Sandstein errichtet wurde, begonnen. Als Alleinstellungsmerkmal in der hiesigen Museumslandschaft stand der Anröchter Stein im Mittelpunkt des Museumskonzepts. Nach zweijähriger Bauzeit wurde das Steinmuseum 2012 eröffnet. In den drei ehemaligen Klassenzimmern und weiteren Nebenräumen ist viel Platz für die moderne Präsentation der steinigen Exponate entstanden. „Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe hat unser Museum als besonders sehenswert eingestuft“, freut sich Rudi Fischer.

Vorsitzender und Geschichtenerzähler

Gemeinsam mit seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern möchte Rudi Fischer als Vorsitzender des Heimatvereins Anröchte die bewegte Geschichte des Steinabbaus und seiner Verarbeitung in der Gemeinde lebendig erzählen. Das Anröchter Steinmuseum widmet sich in erster Linie den Themen Gewinnung und Verarbeitung sowie der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. „In unserem Medienraum zeigen wir regelmäßig historische und aktuelle Filme rund um den Anröchter Stein.“ Rudi Fischer sieht sich nicht als klassischer Heimatforscher. „Ich sehe mich vielmehr als Geschichtenerzähler, der sein Wissen nicht nur im Steinmuseum, sondern auch bei Führungen über den Anröchter Judenfriedhof und durch die historische Pfarrkirche St. Pankratius weitergibt.

 

„Heimat ist vor allem ein Gefühl“

Rudi Fischer führt durch die Ausstellung des Anröchter Steinmuseums

 

Im Fokus steht der Grünsandstein

Der Heimatverein hat es sich zur Aufgabe gemacht, den heimischen Grünsandstein in der Region und darüber hinaus noch bekannter zu machen. „Viele Bau- und Kunstwerke sind in den vergangenen Jahrhunderten aus dem Anröchter Steinmaterial entstanden“, erzählt Rudi Fischer. „Zahlreiche bedeutende Künstlerinnen und Künstler aus dem In- und Ausland schätzen die Vorteile unseres blauen und grünen Werksteins. Daher darf die Bedeutung des Anröchter Steins niemals in Vergessenheit geraten.“ Bei seinen kurzweiligen Führungen durchs Museum erzählt er die Legende der Anröchter Bombenleger und berichtet von der teilweise kuriosen Satzung des „Vereins zur Nüchternheit unter den Steinbruchmitarbeitern“.

Echtes Heimatgefühl

Für den Anröchter ist Heimat nicht nur ein Ort oder nur die Pflege geschichtlicher Traditionen, und erst recht nicht ein verträumtes Schwelgen in Erinnerungen an vergangene Zeiten. „Heimat ist vor allem ein Gefühl“, sagt er. „Heimat entsteht, wenn man die Fähigkeit besitzt, sich dort wohlzufühlen, wo man ist. Und dazu braucht es immer wieder auch Menschen, die ihren Beitrag leisten, damit sich dieses Wohlfühlen einstellen kann.“

In unserer schnelllebigen Zeit sind Menschen wichtig, die sich uneigennützig in der Gesellschaft engagieren. „Ohne ihren ehrenamtlichen Einsatz wäre es um unsere Heimat und damit auch um unseren Ort weniger gut bestellt“, ist sich der 72-Jährige sicher. Gleichzeitig stellt sich für ihn aber auch die Frage, wie es um unsere Heimat in Zukunft bestellt ist. „Wir müssen alles daransetzen, dass wir alle etwas zur Erhaltung und Stärkung des regionalen Erbes unseres Heimatortes in all seiner Vielfalt beisteuern. Und uns die Frage stellen, was wir gemeinsam tun können, um Werte zu bewahren und diese zukunftsorientiert an die nächste Generation weiterzugeben.“

 

 

Da muss ich hin …

Anröchter Steinmuseum
Hauptstraße 76
59609 Anröchte
post@anroechter-stein-museum.de 
www.anroechter-stein-museum.de 

Informationen und Öffnungszeiten siehe QR-Code

 

 

Text und Fotos: Holger Bernert