Die Anröchter Bombenleger - Jugendliche Streiche oder politischer Terror?
von Dr. Wolfgang Knackstedt, Ortschronik Anröchte, Band 2
Der Begriff lebt heute noch - wenn auch eher als Spottname. Was verbirgt sich dahinter? Zunächst die Tatsachen, die sich den Akten entnehmen lassen.
Obwohl im Mai 1911 drei junge Männer verhaftet und im November zu hohen Zuchthausstrafen verurteilt wurden, explodierten im Februar 1912 erneut Wagenbuchsen auf dem Hof von Gemeindevorsteher Schorlemer und auf den Zeugen Thöne in Anröchte wurde geschossen. Zwei weitere Verdächtige wurden im Mai 1912 zu Zuchthausstrafen verurteilt. Dann trat Ruhe ein.
Die nahezu zehn Verurteilten waren ausschließlich Steinhauer. Ein Attentat am 30. Januar 1911, am Vorabend einer Aussperrung der Steinbrucharbeiter in einem Streik, erweckt den Anschein von sozialpolitischem Engagement, denn die wirtschaftliche Lage der Steinbruchbetriebe war seit 1906 sehr schlecht und die Steinbrucharbeiter, meist eher jüngere Leute, verdienten ohnehin nicht sehr viel.
Vermutlich hat aber dennoch der Amtmann recht, der den eigentlichen Ausgangspunkt der ganzen Affäre in Wilddieberei sah, die von Forstbeamten bekämpft wurde. Eine kurzsichtige Erregung gegen die Amtsverwaltung und die Polizei als unmittelbare ?Gegner?, sowie Einschüchterungsversuche gegen mögliche wie tatsächliche Belastungszeugen als vermeintliche Schutzmaßnahme könnten die Langfristigkeit wie die Eskalation erklären. Auf der anderen Seite besaßen die ?Terroristen? offensichtlich eine gewisse Sympathie im Ort, die die Ermittlungen sehr erschwerte. Dabei spielte sicherlich auch eine Rolle, dass man dem nicht beliebten Amtmann die Schwierigkeiten gönnte.
Gleichwohl zeigen die Ereignisse, dass es auch in Anröchte ein soziales und politisches Konfliktpotential gab, das sich undifferenziert und wenig zielgerichtet in zunächst banalen Auseinandersetzungen zeigen konnte, so sehr auch Anlass, Verlauf und Bewältigung ganz in den örtlichen Verhältnissen begründet war.
Heute wäre diese Form der Attentate aus technischen Gründen nicht mehr möglich: Es gibt schon lange keine Dorfschmiede und Stellmacher mehr.